Moin Leute, einen habbich noch, woll?

Heute bin ich sportlich unterwegs. Mit einer kleinen Tennis-Story. Mal was anderes…

Toleranz fängt bei der Brille an

Ein ganz normaler Samstagmorgen vor vielen Jahren. Wie fast immer ließen Ralf und ich diesen Tag äußerst gemütlich, mit einem ausgiebigen Frühstück angehen. Als Geräuschkulisse lief der Fernseher im Hintergrund und wir freuten uns beide an diesem Tag nicht zur Arbeit gehen zu müssen.

Mädels, unter normalen Umständen ist mein Gatte ein sehr ausgeglichener und in sich ruhender Mensch. In den meisten Situationen gibt er wohlüberlegte und nachvollziehbare Argumente zum Besten und ich bin jedes Mal erstaunt, wie schnell ich mich selbst zu unbedachten Äußerungen hinreißen lasse.

Ebenso überrascht mich die Tatsache, wie wenig ich mich oftmals in die Lage anderer hineinversetze, um ein stückweit fairer mit meinen Mitmenschen umgehen zu können. Was mich in unserer Kennenlernphase ungemein beeindruckte war, wie er mit seinen feinfühligen und empathischen Aspekten meine eigene Gedankenwelt bereicherte. So, genug des Gesülzes!

Wie bereits erwähnt, in normalen Lebenslagen ist er ein äußerst liebenswerter, hilfsbereiter und toleranter Mann. Aber wehe, es geht um den Sport. Da entpuppt er sich zuweilen als gnadenlos…

An diesem Morgen zappte ich mich nach dem Lesen der Online-Nachrichten ein wenig durch die Programme und blieb auf dem Euro-Sport-Kanal hängen. Nicht, dass ich besonders sportbegeistert wäre. Bis auf Fußball. Da bin ich ein wenig angefixt. Warum auch immer. Aber, ab und an kann selbst ich mich sogar für ein erstklassiges Tennismatch begeistern.

Die dritte Runde der Australian Open wurde auf dem Sender ausgestrahlt. Ein Spiel zwischen dem Weltranglisten-Ersten, Roger Federer, und dem uns bis dahin nicht bekannten Serben,
Janko Tipsarevic, lief gerade über die Mattscheibe. Während wir ein paar hochklassige Spielzüge beobachten konnten, entwickelte sich ein äußerst amüsanter Dialog.

Der Serbe lag gerade in Führung, die Gefahr für Roger Federer, dem eigentlichen Favoriten dieses Spiels, nach der dritten Runde auszuscheiden, war äußerst hoch.

Tipsarevic trug während des Spiels eine sehr ungewöhnliche Sportlerbrille, die einerseits ein wenig an die Hornbrillen der 70er Jahre erinnerte, andererseits jedoch extrem extravagant wirkte. Ralf eröffnete das Gespräch in dem er erklärte, dass er unter normalen Umständen eigentlich immer zu den nicht favorisierten Spielern halten würde, aber in diesem Spiel den Schweizer eindeutig bevorzuge.

Mmh, das war wirklich eine sehr ungewöhnliche Haltung für ihn, Kinners. Auf meine Frage, warum es denn heute so anders sei, war seine Antwort dass er DIESEN JANKO auf den ersten Blick nicht besonders leiden mochte.

Neugierig geworden, was er denn nun für Argumente gegen den Serben, den wir ja nun wirklich erst ein paar Minuten beobachtet hatten, haben konnte, stellte ich gezielter meine Fragen auf die ich umgehend eine Antwort erhielt.

“Sieh dir nur mal diesen verbissenen Gesichtsausdruck an,” konterte mein Schatz. Ich sah mir die Spieler noch einmal genauer an. Tipsarevic Gesichtsausdruck war für mich jedenfalls nicht verbissener als der Ausdruck im Gesicht Federers.

Mmh, beide waren hochkonzentriert und gaben alles. Für mich stellte sich eher die Frage, wie man ein solch dramatisches Spiel als Akteur mit einem entspannten Lächeln auf den Lippen hätte bewältigen können.

Dann ging es weiter mit der Lästerei meines Herzblattes. „Und außerdem, diese Brille ist so etwas von völlig daneben,” erklärte er mir mit einem nun etwas aggressiveren Unterton in der Stimme, “so eine luxuriöse Designerbrille ist einfach total überflüssig, ich begreife einfach nicht wozu DIE überhaupt gut sein soll!”

Er warf dem Serben erneut einen völlig abwertenden Blick zu. Mein kleiner, etwas hilfloser Einwand, dass Tipsarevic möglicherweise eine tatsächliche Sehschwäche habe und eine derartig geformte Brille mit Sehstärke beim Sport benötige, damit sie ihm beim Schwitzen nicht von der Nase rutscht, bekam ich eine nicht wirklich überzeugende Antwort die lautete:

“NEIN, das glaube ich NICHT! Brillen, die diese Voraussetzung erfüllen, gibt es wie Sand am Meer. Warum muss es ausgerechnet so eine komische sein?”

Und dann nahm die Diskussion zwischen uns eine für mich völlig überraschende politische Wendung. Wobei an dieser Stelle unbedingt erwähnt sei, dass wir beide unseren ausländischen Mitbürgern gegenüber, immer und jederzeit, äußerst positiv gesonnen sind.

Die Serben und Kroaten seien ja bekannter weise völlig zerstritten und er könne einfach die Art und Weise wie hartnäckig und verbissen dieser Streit zwischen den beiden Parteien geführt würde, überhaupt nicht nachvollziehen. So sein Statement. Ich half ihm mit einem Adjektiv weiter: “Du meinst, diese beiden verfeindeten Gruppen sind einfach nur fanatisch?”

“Richtig”, meinte mein Liebster “fanatisch ist genau der passende Ausdruck!” Und mein ansonsten immer so toleranter Gatte sah dem Serben mit einem völlig missbilligenden Blick weiter bei seinem Spiel zu.

Um die Situation ein wenig zu entschärfen ließ ich meinen nun recht witzigen Gedanken freien Lauf:

“Schatzi, ich stell mir gerade vor, wie jemand zum Optiker seiner Wahl geht und ihn mit aller Selbstverständlichkeit bittet, ihm eine “Fanatikerbrille” zu zeigen. Woraufhin der Optiker ebenso natürlich erwidert, ob er eher die korallenfarbene oder die smaragdgrüne Fanatikerbrille bevorzuge, mit der silbergrauen könne er momentan nicht dienen, die sei gerade aus. Fanatikerbrillen seien ja sehr im Kommen gerade…”

In diesem Augenblick wurde meinem Liebsten schlagartig klar, wie absurd unsere Unterhaltung und seine Aussagen zu diesem serbischen Spieler war, der doch mit hoher Konzentration eine absolute Höchstleistung vollbrachte.

Das Spiel ging just in diesem Moment mit einem knappen Sieg Federers im fünften Satz zu Ende. Beim Händeschütteln der beiden Kontrahenten am Netz nahm Tipsarevic seine Fanatikerbrille ab, schaute Federer voller Respekt in die Augen und gratulierte dem Gewinner herzlich und sehr ehrlich zu seiner tollen Leistung. Völlig sympathisch eben.

“Tja, meinte mein Spatzl mit einem breiten Grinsen im Gesicht, “beim Sport braucht man manchmal ein Feindbild, sonst ist das ganze Spiel emotional völlig uninteressant”.

Aha. Darum gehts also!

So. Und jetzt? Essen fassen. Weltbeste Tomatensoße hab ich heute in meinem Repertoire. Ich fand sie wirklich sehr lecker und für so ein Tomatensößken zwischendurch wirklich eine Empfehlung wert!

Eure Bine

Rezept: Weltbeste Tomatensoße